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Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschenrechtssituation in ihren Partnerländern zu verbessern. Wie wirksam dieses Ziel in der Praxis umgesetzt wird und wo möglicherweise Verbesserungspotenzial besteht, untersucht das DEval in einer Evaluierung. Die Evaluierung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil wurde 2021 abgeschlossen.

Menschenrechte bilden ein Leitprinzip der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Sie werden als Schlüssel betrachtet, um inklusive Entwicklung zu erreichen, und sollen daher in sämtlichen Strategien, Programmen und Projekten integriert werden. Grundlage bildet das Konzept „Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik“, das 2011 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verabschiedet wurde.

In seiner Evaluierung untersucht das DEval das Konzept und seine Umsetzung sowie die Wirksamkeit des deutschen Menschenrechtsansatzes (MRA) in den Partnerländern. Bei der Wirksamkeitsbetrachtung liegt ein besonderes Augenmerk auf Programmen zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Hier werden große Chancen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation gesehen, etwa über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder die Zahlung fairer Löhne. Gleichzeitig birgt der Bereich die Gefahr, dass Menschenrechte verletzt werden, beispielsweise durch gesundheitsgefährdende Arbeitsplätze oder die Unterdrückung von Arbeitnehmerorganisationen.

Ergebnisse und Empfehlungen - Teil 1 der Evaluierung

Deutschland ist mit seiner entwicklungspolitischen Menschenrechtsarbeit international betrachtet ein wichtiger menschenrechtlicher Akteur und reagiert mit dem Menschenrechtsansatz auf die meisten aktuellen Herausforderungen.

Beispielsweise werden Menschenrechtsverletzungen im Kontext zunehmender humanitärer Krisen ebenso thematisiert wie die Situation strukturell besonders benachteiligter Gruppen in Partnerländern. Lücken existieren beispielsweise in Hinblick auf Menschenrechte im Kontext der Digitalisierung sowie der Terror- und Kriminalitätsbekämpfung.

Der Menschenrechtsansatz wird allerdings in der Praxis im BMZ und den Durchführungsorganisationen nur teilweise umgesetzt.

Zwar sind menschenrechtliche Aspekte in ihren Verfahren, Prozessen und Fortbildungen größtenteils verankert. Jedoch werden wichtige Aspekte des Menschenrechtsansatzes häufig nur teilweise umgesetzt: zum Beispiel werden menschenrechtliche Standards und Prinzipien bei der Planung und Umsetzung von Entwicklungsprojekten nur teilweise berücksichtigt. Verbesserungsbedarf gibt es hierbei unter anderem bei Vorhaben in den Bereichen nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Energie, sowie allgemein in der Einrichtung von Beschwerdemechanismen in Projekten.

Das DEval empfiehlt dem BMZ, Pilotländer festzulegen, in denen neue Instrumente zur Verankerung menschenrechtlicher Standards und Prinzipien in Partnerländern erprobt werden können.

Der entsprechende Personalbedarf im BMZ sollte überprüft und eingeplant werden. Darüber hinaus sollte die Integration von Vorhaben, die hauptsächlich auf die Stärkung von Menschenrechten ausgerichtet sind, in Länderportfolios erleichtert werden. Seit Verabschiedung des Menschenrechtskonzepts 2011 stagniert ihr relativer Anteil am Gesamtportfolio des BMZ.

Das DEval empfiehlt, menschenrechtliche Themen im Politikdialog stärker zu verankern.

In entwicklungspolitischen Regierungsverhandlungen werden menschenrechtliche Themen nur teilweise explizit und umfassend angesprochen. Ebenso werden Mittel oft nicht in Abhängigkeit von der Menschenrechtslage im Partnerland vergeben.

Das BMZ sollte sich weiterhin dafür einsetzen, dass Politiken ressortübergreifend mit menschenrechtlichen Standards und Prinzipien übereinstimmen.

Menschenrechte können in den Partnerländern gefördert werden, wenn alle Bundesministerien Menschenrechte in ihrer Arbeit durchgehend und miteinander abgestimmt berücksichtigen. Das jüngst verabschiedete Lieferkettengesetz ist ein Beispiel hierfür.

 

Die Evaluierung wurde 2021 abgeschlossen. Die Ergebnisse und Empfehlungen werden hier zusammengefasst dargestellt, die vollständigen Ergebnisse und Empfehlungen sind im Bericht zu finden.

Ergebnisse und Empfehlungen - Teil 2 der Evaluierung

In untersuchten Vorhaben des Aktionsfelds „Privatsektor- und Finanzsystementwicklung“ wird nur ein Teil der menschenrechtlichen Prinzipien umgesetzt.

Während untersuchte Vorhaben die Anforderungen des Menschenrechtsansatzes hinsichtlich des Prinzips der Transparenz und des Umgangs mit Menschenrechtsrisiken in der Planung fast vollständig umsetzen, besteht in drei Bereichen besonderer Verbesserungsbedarf: Die Vorhaben sollten menschenrechtliche Risiken während der Durchführung stärker berücksichtigen, menschenrechtliche Beschwerdemechanismen besser umsetzen und Partizipationsmöglichkeiten systematischer verankern.

Direkte menschenrechtsbezogene Wirkungen werden im Aktionsfeld nur teilweise erreicht.

Untersuchte Vorhaben tragen zwar zur schrittweisen Verwirklichung menschenwürdiger Arbeit bei, indem sie indirekt die Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen unterstützen. Allerdings beabsichtigen die Vorhaben kaum, menschenwürdige Arbeitsbedingungen im Sinne des Rechts auf Arbeit zu fördern. Auch die menschenrechtliche Stärkung von Rechteinhabenden und Pflichtentragenden ist kaum Teil ihrer Agenda.

Das DEval empfiehlt, die querschnittliche Verankerung menschenrechtlicher Standards und Prinzipien in der deutschen EZ zu stärken.

Die Durchführungsorganisationen sollten ihre Qualitätssicherung zur Umsetzung des Menschenrechtsansatzes verbessern und Anreize für dessen Verankerung schaffen. Ergänzend sollte das BMZ den Ansatz in alle Kernthemenstrategien aufnehmen. Das EZ-weite Beschwerdesystem sollte durch das BMZ in einem konsultativen Prozess weiterentwickelt werden.

Darauf aufbauend, empfiehlt das DEval zudem, Wirkungen auf Menschenrechte systematisch zu Stärken.

Durchführungsorganisationen sollen dazu Musterbeispiele für die Umsetzung menschenrechtlicher Wirkungen in Vorhaben entwickeln. Um Synergien zwischen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Akteursgruppen besser nutzen zu können, sollte das BMZ Austauschformate in den Partnerländern anbieten.

Ziele der Evaluierung

Die Evaluierung verfolgt das Ziel, die Inhalte und Umsetzung des Menschenrechtskonzepts und des Leitfadens sowie die Wirksamkeit des deutschen MRA in Partnerländern zu untersuchen. Um dies zu gewährleisten, wird sie in zwei Teilen umgesetzt, deren Ergebnisse jeweils in einem eigenen Bericht veröffentlicht werden. In einem ersten Teil untersucht die Evaluierung zunächst die Inhalte und Umsetzung des Menschenrechtskonzepts als Strategie im BMZ und in den Durchführungsorganisationen. Anschließend daran wird in einem zweiten Teil die Wirksamkeit des Ansatzes in Partnerländern untersucht. Hierzu wird ein Schwerpunkt auf die Verwirklichung von Menschenrechten im Bereich der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung in Partnerländern gelegt, da aus Sicht des BMZ in diesem Bereich der EZ große Potenziale für die Verwirklichung von Menschenrechten existieren, aber gleichzeitig auch menschenrechtliche Risiken bestehen.

Insgesamt soll die Evaluierung zum Lernen beitragen, indem Verbesserungspotenziale für eine effektive Umsetzung und Weiterentwicklung des Menschenrechtskonzepts und des darin explizierten deutschen MRA identifiziert werden. Durch die Untersuchung der Umsetzung und Wirksamkeit des deutschen MRA trägt die Evaluierung zudem auch zur Rechenschaftslegung der verantwortlichen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen EZ-Akteure bei.

Hintergrund

Menschenrechte sollen laut BMZ Leitprinzip der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sein. Die Umsetzung dieses Prinzips erfolgt durch einen die gesamte Entwicklungspolitik umfassenden MRA. Der deutsche MRA verfolgt das übergeordnete Ziel, zur Verbesserung der Menschenrechtssituation in Partnerländern beizutragen. Die konzeptuellen Grundlagen des MRA und seine Umsetzung werden in einem 2011 vom BMZ verabschiedeten Konzept „Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik“ (BMZ, 2011) definiert und in einem Leitfaden für die staatliche technische und finanzielle EZ konkretisiert (BMZ, 2013).

Methoden

Aufgrund des unterschiedlichen Erkenntnisinteresses beider Evaluierungsteile unterscheiden sich ihre jeweiligen methodischen Zugänge voneinander:

Bei dem ersten Teil der Evaluierung handelt es sich um eine Strategieevaluierung, die Positionen, Ziele und Handlungsfelder aus dem Menschenrechtskonzept und dem Leitfaden (intendierte Strategie) mit ihrer tatsächlichen Umsetzung durch die beteiligten Akteure (realisierte Strategie) empirisch abgleicht und mögliche Abweichungen voneinander erklärt.

Hierfür werden übergreifend qualitative Interviews mit jenen Akteuren geführt, die für die Umsetzung von einzelnen Handlungsfeldern verantwortlich sind. Für besonders bedeutsame Handlungsfelder werden zusätzlich jeweils spezifische zusätzliche Methoden angewandt. So werden unter anderem eine Umfrage von Menschenrechtsinstitutionen in Partnerländern, Inhaltsanalysen von Projektdokumenten, Expert*inneninterviews sowie Portfolio- und Allokationsanalysen durchgeführt.

Für die Untersuchung der Wirksamkeit des deutschen MRA im Rahmen des zweiten Teils der Evaluierung bildet eine sogenannte Programmtheorie die Ausgangsbasis. Eine Programmtheorie legt dar, wie eine oder mehrere Intervention(en) zu Zielen und Wirkungen beitragen soll(en). Aufgrund der hohen Komplexität der zu untersuchenden Programmtheorie bieten sich hierfür Herangehensweisen an, die einzelne Schritte von Wirkungsketten empirisch „nachverfolgen“ und überprüfen. Beispielhaft hierfür ist Ansatz des Process Tracing.

Die Datenerhebung für den zweiten Teil der Evaluierung erfolgt in Fallstudien in den Partnerländern und ggf. über die Nutzung von quantitativen Sekundärdaten. Das finale Design und die verwendeten Methoden werden im Rahmen der Inceptionphase dieses Teils der Evaluierung festgelegt.

Kontakt

Portrait von Dr. Jan Tobias Polak
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Dr. Jan Tobias Polak

Senior-Evaluator - Teamleitung, Antikorruptionsbeauftragter

Telefon: +49 (0)228 336907-967

E-Mail: tobias.polak@DEval.org

Portrait Martin Bruder
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Dr. Martin Bruder

Abteilungsleiter: Zivilgesellschaft, Menschenrechte

Telefon: +49 (0)228 336907-970

E-Mail: martin.bruder@DEval.org

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