
Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft
Die Privatwirtschaft wird immer stärker in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit eingebunden, um zusätzliche Mittel zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 zu generieren. Weitere erwartete positive Effekte sind eine Steigerung unternehmerischer Innovationskraft und Kreativität sowie die verstärkte Umsetzung sozialer und ökologischer Standards in privaten Unternehmen in Partnerländern. Allerdings ist dieser Ansatz auch umstritten. Kritische Stimmen warnen, dass vor allem Unternehmen des globalen Nordens von der Zusammenarbeit profitieren und entwicklungspolitische Ziele in den Hintergrund rücken. Im Folgenden wird einen Überblick über die konzeptionellen Ansätze und Instrumente gegeben, die von der deutschen EZ in ‚Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft‘ (ZmPW) entwickelt und durchgeführt werden.
Entwicklungspolitische Kernprobleme
Warum kooperiert die EZ vermehrt mit der Privatwirtschaft im globalen Norden, wie auch in den Partnerländern? Welche entwicklungspolitischen Kernprobleme und aktuelle globale Herausforderungen werden dabei adressiert? Hierauf geben Literatur und Praxis mehrere Antworten. Insbesondere der beschleunigte Prozess der Globalisierung stellt die EZ vor Herausforderungen, bietet aber auch Möglichkeiten. So wächst beispielsweise die Erkenntnis, dass entwicklungspolitische Missstände in den Partnerländern auch im Globalen Norden effektiv adressiert werden können.
Kategorien
Es gibt viele Instrumente und Ansätze, um mit der Privatwirtschaft zu kooperieren und entwicklungspolitische Herausforderungen zu adressieren. Je nach zugrundeliegendem entwicklungspolitischen Kernproblem verfolgen die Aktivitäten der ZmPW verschiedene Ziele. Dabei lassen sich fünf Kategorien identifizieren:
Beispiele aus der (evaluierten) Praxis
Die ‚Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft‘ (ZmPW) wurde 2016 als einer der DEval-Themenschwerpunkte festgelegt. Seitdem wurden eine Reihe von Instrumenten und Maßnahmen dieses EZ-Ansatzes evaluiert (Publikationen). Im Folgenden werden einzelne Projektbeispiele aus veröffentlichten Evaluierungen präsentiert, um ausgewählte Erkenntnisse der guten Praxis und ‚lessons learnt‘ zu teilen.
Kooperation mit Unternehmen (develoPPP Evaluierung, 2017)
Good practice Beispiel eines develoPPP-Projekts in dem durch erfolgreiche Kapazitätsentwicklungen innovative Produktionsmethoden und Dienstleistungen bei den Zielgruppen eingeführt wurden.
In dem über develoPPP geförderten Projekt nehmen Kleinbäuer*innen an Trainings- und Multiplikationsaktivitäten teil. Diese sollen eine Produktivitätssteigerung unter Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards ermöglichen und ihren Zugang zum Exportmarkt verbessern. Dabei besteht die Innovation in der Einführung neuer Produktionsmethoden über einen großangelegten Multiplikatoren-Ansatz im Zusammenspiel mit hochwertigen und breit angelegten Trainings.
Der Mehrwert wird daran gemessen, dass in der Projektregion keine vergleichbaren Trainings verfügbar sind und die gelehrten Produktionsmethoden von den Kleinbäuerinnen und -bauern insgesamt sehr positiv bewertet werden. Die Trainingsinhalte werden von den Teilnehmenden teilweise kritisch betrachtet, da die gelehrten Produktionsmethoden arbeitsintensiver als herkömmliche Methoden sind. Dieser Mehraufwand wird jedoch durch eine Abnahmegarantie und höhere Erlöse für die so produzierten Ernten kompensiert, was die Kritik relativiert. Weiterhin tragen die einfache und zielgruppenangemessene Aufbereitung der Trainingsinhalte sowie die Nutzung des Multiplikatoren-Ansatzes zur großflächigen Verbreitung der Methoden auf ca. 12.000 Bäuerinnen und Bauern innerhalb von knapp drei Jahren bei.
Finanzierung mit Unternehmen (Evaluierung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel: Instrumente zum Umgang mit residualen Klimarisiken, 2021)
Der InsuResilience Investment Fund (IIF) der KfW hat das Ziel, in Entwicklungs- und Schwellenländern die Vulnerabilität von KKMU und Haushalten mit niedrigem Einkommen gegenüber Extremwetterereignissen zu reduzieren.
Der InsuResilience Investment Fund (IIF) besteht aus zwei Teilfonds, einem Eigenkapital- und einem Fremdkapitalfonds. Diese sollen Institutionen finanzieren, die Klimarisikoversicherungen (KRV) anbieten oder ihre Entwicklung unterstützen. Dazu wurden die beiden Teilfonds mit öffentlichen und privaten Mitteln sowie mit Mitteln von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (Development Finance Institutions, DFI) befüllt, die dann in Unternehmen entlang der KRV-Wertschöpfungskette investiert werden. Der IIF gilt dabei als strukturierter Fonds, bei dem Risiken unter Investoren unterschiedlich aufgeteilt werden. Maßnahmen zur technischen Unterstützung und zur Prämienverbilligung ergänzen den IIF und werden vom BMZ mit Zuschüssen separat finanziert. Über den Fremdkapitalfonds werden vor allem Mikrofinanzinstitution unterstützt, die eine KRV bspw. für kreditnehmende Mikrounternehmen anbieten. Mit dem Eigenkapitalfonds werden vor allem Unternehmen finanziert, die an der Entwicklung von KRV für Entwicklungs- und Schwellenländern beteiligt sind. Der IIF kann dabei als globaler Fonds einen signifikanten Beitrag im Bereich der Finanzierung von Klimarisikoversicherungen leisten und hat eine sehr große Reichweite. Eine Herausforderung des Instruments ist jedoch auch nationalen Zielsetzungen gerecht zu werden. Zudem stehen bei den jeweils finanzierten Institutionen und ihren Produkten nicht immer die entwicklungspolitischen Bedürfnisse der Zielgruppe im Fokus.
Sektor- und Themendialog (Evaluierung der Förderung nachhaltiger Lieferketten, 2023)
Die DEval-Evaluierung der Förderung nachhaltiger Lieferketten analysiert am Beispiel des Textilsektors die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor im Partnerland und in Deutschland und die Wirkung dieser Zusammenarbeit auf sozial und ökologisch nachhaltige globale Lieferketten. Das untersuchte Portfolio umfasst Vorhaben wie das Bündnis für nachhaltige Textilien, dass einen Themen- bzw. Sektordialog darstellt. Ein Ergebnis der Evaluierung ist, dass einkaufende Unternehmen durch die EZ-Aktivitäten aktiver werden, um ihren unternehmerischen Sorgfaltspflichten (d.h. bspw. Achtung von Menschenrechten) entlang ihrer Lieferkette nachzukommen. Weiterhin wurden mit der Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes 2022 die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert. Auch im Partnerland werden Wirkungen angestrebt, insbesondere bei den Textilfabriken. Allerdings zeigt die Evaluierung, am Beispiel Bangladesch, dass Wirkungen weniger stark ausgeprägt sind. Die Evaluierung kommt zu dem Schluss, dass die identifizierten Veränderungen nicht ausreichen, um maßgeblich zum Schutz von Arbeiter*innen gegen das Risiko von Arbeitsunfällen, zur Reduzierung von Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung und zur Verbesserung der Interessensvertretung von Arbeitnehmer*innen beizutragen.
Bevorzugte Sektoren der ZmPW
Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft findet in vielen verschiedenen Sektoren und Bereichen statt. Prominente Betätigungsfelder sind Landwirtschaft, das Gesundheitswesen, Bildung, Umweltschutz, privatwirtschaftliche Dienste, das Finanzwesen und Energie. Viele der Aktivitäten haben einen ökologischen bzw. nachhaltigen Charakter und zielen auf eine Verbesserung der Umwelt, Biodiversität, Infrastruktur, Rohstoffförderung und Abfallwirtschaft ab. Die Energiewirtschaft setzt dabei einen besonderen Fokus in dem Bereich der erneuerbaren Energien mit Maßnahmen zum Klimaschutz bzw. Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Des Weiteren engagiert sich die Privatwirtschaft in sozialen Feldern für entwicklungspolitische Ziele, beispielsweise im Gesundheitswesen, der Berufsbildung oder im sozialen Wohnungsbau. Die folgende tag cloud gibt einen Überblick.
Theory of Change
Als theoretische Grundlage für die Evaluierung von Wirkungen der Instrumente und Maßnahmen der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft in der EZ, hat das DEval eine Theory of Change (ToC, auch Theorie des Wandels bzw. Wirkungsmodell) entwickelt. Die ToC orientiert sich an wirtschafts- und entwicklungspolitischen Theorien und stellt die intendierten Ergebnisse (Effekte und Wirkungen) in den fünf Dimensionen der Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft dar. Dabei werden auch die wesentlichen, kausalen Wirkungszusammenhänge skizziert: so produzieren Instrumente und Maßnahmen (hier als Input bezeichnet) bestimmte Produkte und Leistungen (Outputs), aus denen sich wiederum kurz- und mittelfristige Wirkungen (Outcomes) ergeben, die in ihrer Gesamtheit zu entwicklungspolitisch übergeordneten und langfristigen Veränderungen (Impact) beitragen.
Während die Impact Ebene üblicherweise durch die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN-SDG’s) strukturiert wird, folgen die Outcomes der DEval ToC einer anderen Logik. Diese unterscheidet die Effekte nach ihrer spezifischen Wirkungsebene in den Kategorien ‚Intermediär‘, ‚Zielgruppe‘ oder ‚Partnerland‘. Die Kategorie der Intermediäre umfasst die individuellen wirtschaftlichen Akteure, die von der deutschen EZ unterstützt werden, z.B. Banken oder Fonds als Kapitalgeber (Finanzintermediäre) oder produzierende Unternehmen. In der Kategorie Zielgruppe werden die Effekte untersucht, die absichtsvoll durch ein Instrument oder eine Maßnahme in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe herbeigeführt werden sollen. Die Kategorie Partnerland schließlich bezieht sich auf strukturelle Veränderungen, beispielsweise des Marktes oder der rechtlichen Rahmenbedingungen im jeweiligen Partnerland.
Beispiel 1: Finanzierung mit Unternehmen
Als Input werden beispielsweise Haushaltsmittel eingesetzt, um die Junior Tranche in einem strukturierten Fonds zu finanzieren. Dies führt zu einem geringeren Risiko für Investoren aus dem globalen Norden. Diese Subventionierung begünstigt damit deren Investitionstätigkeit im globalen Süden (Output). Dies führt wiederum dazu, dass der Zugang zu Kapital für Finanzinstitutionen im Globalen Süden verbessert wird (Outcome auf Intermediärsebene), was erwartungsgemäß langfristig zu einer Entwicklung lokaler Finanzmärkte auf Impact-Ebene beiträgt, z.B. im Sinne des SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur und SDG 12, nachhaltiger Konsum und Produktion.
Beispiel 2: Kapazitätsentwicklungsmaßnahmen
Kapazitätsentwicklungsmaßnahmen von deutschen, europäischen und internationalen Unternehmen im Globalen Süden werden von der EZ subventioniert (Input) und führen zu aus- und weitergebildeten Mitarbeitenden (Output), die durch die Anwendung des neuen Wissens ihr Einkommen sichern/erhöhen sollen (Outcome auf der Ebene der Haushalte) und damit auch die Konsumnachfrage im Partnerland erhöhen (Outcome auf der Ebene des Partnerlandes). Insgesamt wird dadurch auf Impact-Ebene z.B. zu SDG 4, hochwertige Bildung und SDG 10, weniger Ungleichheit, beigetragen.