Covid-19
  • Jochen Kluve
  • Jörg Langbein
  • Michael Weber

Schutz von Arbeitnehmer*innen und Unternehmen in Zeiten der Krise: Wichtige arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen

Covid-19 hat Wirtschaftssysteme, Unternehmen und Arbeitnehmer*innen auf der ganzen Welt getroffen. Was als Gesundheitskrise begann, entwickelte sich bald zu einer Pandemie mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt weltweit. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen für vulnerable Bevölkerungsgruppen wie informell Beschäftigte, Frauen und Jugendliche sowie für kleine und mittlere Unternehmen besonders schwerwiegend.

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Covid-19 hat Wirtschaftssysteme, Unternehmen und Arbeitnehmer*innen auf der ganzen Welt getroffen. Was als Gesundheitskrise begann, entwickelte sich bald zu einer Pandemie mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt weltweit. Bis August 2020 gab es in etwa 70 % der Länder Einschränkungen der Mobilität, die sich auf Unternehmen und Existenzen auswirkten (University of Oxford, 2020). Die Weltwirtschaft wurde sehr hart getroffen, noch wesentlich stärker als bei früheren Krisen (ILO, 2020): Die Zahl der Arbeitsstunden ging zurück, die Arbeitslosenquote stieg an, Einkommen gingen verloren und Betriebe wurden geschlossen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMICs) für vulnerable Bevölkerungsgruppen wie informell Beschäftigte, Frauen und Jugendliche sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) besonders schwerwiegend.

Diese besondere Situation erfordert politische Maßnahmen im Arbeitsmarkt- und Sozialschutzbereich während der drei Phasen der Krisenreaktion – Unterstützung, Reorganisation und Resilienzaufbau. Die im Folgenden beschriebenen Politikoptionen basieren auf Erkenntnissen aus der akademischen Fachliteratur und werden in Bezug zu den aktuellen Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zur Unterstützung von Unternehmen und Arbeitnehmer*innen in LMICs gesetzt.

Kurzfristige Unterstützung bereitstellen

Grundsätzlich sollen frühzeitige Unterstützungsmaßnahmen die unmittelbaren Auswirkungen der staatlichen Gesundheitsschutzmaßnahmen für ansonsten wettbewerbsfähige Unternehmen abmildern, indem Liquiditätsengpässe vermieden werden und das Beschäftigungsniveau gehalten wird. Im Folgenden werden einige kurzfristige Politikoptionen skizziert:

Liquiditätsspritzen sollten so gestaltet sein, dass krisengeschädigte Firmen ihre Mitarbeiter*innen weiterhin bezahlen können und ihr Zugang zu finanziellen Mitteln sollte durch die Bereitstellung (und Subventionierung) neuer Kreditlinien erleichtert werden. Um informelle Betriebe zu erreichen und Liquidität zu gewährleisten, kann auf Mikrofinanzinstitutionen zurückgegriffen werden. Lohnsubventionen und die vorübergehende Senkung anderer Arbeitskosten wie Sozialversicherungsbeiträge haben sich in der Vergangenheit als hilfreich erwiesen, um den Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Es ist eine Herausforderung, die besonders gefährdeten Unternehmen und Arbeitnehmer*innen in LMIC-Kontexten zu erreichen, insbesondere in eher ländlichen Gebieten. Digitale Lösungen wie digitale Bezahlsysteme über Mobiltelefone oder digitale Registrierungssysteme können in diesem Zusammenhang helfen und sollten erprobt werden.

Arbeitnehmer*innen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, benötigen eine Einkommenssicherung, um ihre Existenzgrundlage weiterhin absichern zu können. Zu den gängigsten Instrumenten, um Haushalten in der Krise schnell zu helfen, gehören Sozialhilfeprogramme, allen voran Bargeldtransfers an Haushalte. Bis September 2020 hatten 156 von 188 Ländern ein krisenbezogenes Geldtransferprogramm geplant, durchgeführt oder bereits beendet (Gentilini et al., 2020). Es gibt eine breite Evidenzbasis, die die positiven Auswirkungen von Bargeldtransfers auf die Existenzsicherung belegt: So wird beispielsweise die Armut reduziert und die Gesundheit verbessert. Den Menschen wird die Möglichkeit gegeben, sich aktiv am Arbeitsmarkt zu beteiligen, die Bewältigung von Wirtschafts- und klimabedingten Krisen wird unterstützt und wirtschaftliche Multiplikatoren zur Konsumglättung werden geschaffen (z. B. Tripathi et al., 2019; Garcia und Hill, 2010; Kabeer und Waddington, 2015).

Mittel- und langfristige Reorganisation und Aufbau von Resilienz

Notfallmaßnahmen müssen durch maßgeschneiderte Unterstützung für Arbeitnehmer*innen und Unternehmen in den mittel- und langfristigen Phasen der Reorganisation und des Aufbaus von Resilienz ersetzt werden. Entsprechende Programme sollten nicht mehr für ein breites Spektrum von Unternehmen Liquidität bereitstellen. Stattdessen sollten zukunftsfähige und innovative Firmen gezielt unterstützt werden, während diese im Prozess sind, sich an die neue Normalität anzupassen. Hier sollte ein Fokus auf Arbeitsplätzen zur Unterstützung eines nachhaltigen Strukturwandels im Einklang mit der Natur liegen. Darüber hinaus sind in LMICs viele Arbeitnehmer*innen in Kleinstunternehmen bzw. als Selbstständige zu Hause beschäftigt. Gezielte Fördermaßnahmen für diese Gruppe sind wichtig und bestehende Mikrofinanzierungsnetzwerke könnten eine Möglichkeit bieten, entsprechende Mittel an diese Unternehmen weiterzuleiten.

Aktive Arbeitsmarktprogramme können die Anpassung der politischen Maßnahmen an die sich verändernde Situation der Krise von der Abmilderung der ersten Auswirkungen bis zur Umstrukturierungsphase unterstützen. Erkenntnisse aus früheren Arbeitsmarktprogrammen können hier genutzt werden, um neue Programme für eine mittel- und längerfristige Perspektive zu entwickeln. Die Vergabe staatlicher Aufträge spielte zum Beispiel eine wichtige Rolle bei der Erholung von früheren Schocks wie der Finanzkrise von 2008-10 (Azam et al., 2013). Angesichts der besonderen Situation, die die Covid-19 Pandemie mit sich bringt, sind bei solchen Programmen dennoch spezielle Maßnahmen erforderlich. Die Programme müssen sicherstellen, dass die Teilnehmer*innen ausreichend körperlichen Abstand halten und entsprechende Schutzausrüstung tragen. Investitionen in Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie in Ausbildung, insbesondere mit dem Fokus auf digitalen Lösungen, können deshalb eine sinnvolle langfristige Investition sein. Investitionen in (Weiter-) Qualifikationen sind während einer Wirtschaftskrise eine weitere wichtige politische Maßnahme, da diese in der Regel einen hohen Mehrwert bringen (Card et al., 2018).

Die Ausweitung der Programme auf vulnerable Bevölkerungsgruppen ist entscheidend für zukünftige soziale Sicherungsprogramme. In LMICs müssen die Reichweite und der Umfang von sozialen Sicherungsmaßnahmen erweitert werden, um in zukünftigen Krisen für mehr Resilienz zu sorgen. Dies gilt besonders für vulnerable Arbeitnehmer*innen, wie z. B. Geringverdiener*innen, Arbeitnehmer*innen im informellen Sektor und Geringqualifizierte, sowie für Frauen. Gleichzeitig sollte die neue Generation junger Arbeitssuchender - die sogenannte "Covid-19"-Generation - von der Politik besonders berücksichtigt werden, um langfristige, negative Effekte zu vermeiden (siehe z.B. Gregg und Tominey, 2005).

Zusammenfassung und Empfehlungen

Eine maßgeschneiderte Kombination von Arbeitsmarkt- und Sozialschutzmaßnahmen ist erforderlich, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Covid-19 abzumildern, gestaffelt nach den drei Phasen der Krise: Unterstützung, Reorganisation und Stärkung der Resilienz. Während Lockdowns ist es wichtig, Arbeitnehmer*innen und Unternehmen mit finanziellen Mitteln zu unterstützen. Die Reaktion sollte schnell erfolgen und auch vulnerable Bevölkerungsgruppen, einschließlich informell Beschäftigter, berücksichtigen. Nach einer ersten Phase der Unterstützung müssen die Programme an die "neue Normalität" angepasst werden, in der einige anfängliche Beschränkungen gelockert werden, während andere bestehen bleiben. Dies könnte durch eine bessere Ausrichtung auf zukunftsfähige, an Covid-19 angepasste Unternehmen in Sektoren, die zu den SDGs beitragen, erreicht werden. An ein verändertes Umfeld angepasste, aktive Arbeitsmarktprogramme - wie z. B. modifizierte öffentliche Arbeiten oder Qualifizierungssysteme - können ein weiteres Schlüsselelement der Krisenbewältigungspolitik sein. Für den Aufbau von Resilienz ist es wichtig, den Schutz der Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf zukünftige Krisen zu verbessern. Dies impliziert die Ausweitung von Sozialschutzsystemen, um mehr und besonders vulnerable Arbeitnehmer*innen und Haushalte zu erfassen. Angesichts der Einzigartigkeit der Pandemie wird die Reaktionsfähigkeit auch von der Bereitschaft abhängen, neue Wege zu gehen. Um Belege für die Wirksamkeit neuer oder modifizierter Programme zu erhalten, können soziale Sicherungs- und Beschäftigungspolitiken konsequent rigoros evaluiert werden (Haushofer und Metcalf, 2020).

Dieser Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Policy Brief​​​​​​​ von BMZ und DEval , der am 2. Oktober 2020 veröffentlicht und zuletzt im September 2020 aktualisiert wurde.

Literatur

Azam, M., C. Ferré und M.I. Ajwad (2013), “Can public works programs mitigate the impact of crises in Europe? The case of Latvia”, IZA Journal of European Labor Studies, Vol. 2/1: 10.

Card, D., J. Kluve und A. Weber (2018), “What works? A meta analysis of recent active labor market program evaluations”, Journal of the European Economic Association, Vol. 16/3, S. 894–931.

Garcia, S. und J. Hill (2010), “The impact of conditional cash transfers and health: unpacking the causal chain”, Journal of Development Effectiveness, Vol. 2/1, S. 117–137.

Gentilini, U., M. Almenfi, P. Dale, A.V. Lopez und U. Zafar (2020), "Social Protection and Jobs Response to Covid-19: A real time review of country measures", COVID-19 Living Paper, Version 13, 18. September, World Bank, Washington, DC.

Gregg, P. und E. Tominey (2005), "The wage scar from male youth unemployment", Labour Economics, Vol. 12/4, S. 487–509.

Haushofer, J. und C. J. Metcalf (2020), "Which interventions work best in a pandemic?", Science, Vol. 368/6495, S. 1063–1065.

ILO (2020), ILO Monitor: "Covid-19 and the world of work", ILO Briefing Note, 6. Aufl., Internationale Arbeitsorganisation, Genf, www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/@dgreports/@dcomm/documents/briefingnote/wcms_755910.pdf (zugegriffen 20. September 2020).

Kabeer, N. und H. Waddington (2015), “Economic impacts of conditional cash transfer programmes: a systematic review and meta-analysis”, Journal of Development Effectiveness, Vol. 7/3, S. 290–303.

Tripathi, S., K.J. Kingra, F. Rathinam, T. Tyrrell und M. Gaarder (2019), “Social protection: a synthesis of evidence and lessons from 3ie evidence-supported impact evaluations”, 3ie Working Paper No. 34, International Initiative for Impact Evaluation (3ie), Neu Delhi.

University of Oxford und Blavatnik School of Government (2020), “Coronavirus Government Response Tracker”, www.bsg.ox.ac.uk/research/research-projects/coronavirus-government-response-tracker (zugegriffen 25. August 2020).

Disclaimer

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Es handelt sich bei den Beiträgen nicht um Ergebnisse mit Empfehlungen aus einzelnen Evaluierungen des DEval. Diese finden sich in unseren Evaluierungsberichten, Policy-Briefs und Pressemitteilungen. Die von den Autor*innen vertretenen Meinungen stellen nicht grundsätzlich die Meinungen des DEval dar.  

Autor*innen

Jochen Kluve

Leiter der Evaluierungsabteilung der KfW Entwicklungsbank

E-Mail: jochen.kluve (at) hu-berlin.de

Jörg Langbein

KfW Development Bank

Michael Weber

World Bank

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