Methoden und Standards

Wirtschaftsnobelpreis an natürliche Experimente

Die diesjährige Auszeichnung bestätigt die Relevanz rigoroser Wirkungsevaluierung

Web-Ikon zum Thema "Rigorose Wirkungsevaluierung"

Das DEval begrüßt die Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises an David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens. Die drei Forscher haben gezeigt, dass natürliche Experimente genutzt werden können, um wichtige gesellschaftliche Wirkungsfragen zu beantworten. Dabei erlauben natürliche Experimente es, Ursache-Wirkungsbeziehungen zuverlässig zu identifizieren. Zusätzlich haben die Preisträger gezeigt, welche genauen Schlussfolgerungen aus natürlichen Experimenten gezogen werden können.

Natürliche Experimente sind eng verwandt mit dem experimentellen Ansatz zur Wirkungsevaluierung, für deren Anwendung erst vor zwei Jahren Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurden. Experimente und natürliche Experimente zählen zu den Ansätzen der rigorosen Wirkungsevaluierung, da sie den kausalen Effekt einer Maßnahme (z.B. Anzahl der absolvierten Schuljahre) auf eine Zielgröße (z.B. Einkommen eines Haushaltes) messen. Die diesjährige Auszeichnung bestätigt daher noch einmal die gestiegene Relevanz rigoroser Wirkungsevaluierung.

In Experimenten, die aus der medizinischen Forschung bekannt sind, teilt man eine möglichst große Menge von Menschen zufällig in zwei Gruppen. In der medizinischen Forschung erhält eine Gruppe das Medikament, die andere nicht. Durch den Vergleich dieser beiden Gruppen kann eine zuverlässige Schlussfolgerung über die kausale Wirkung des Medikamentes getroffen werden. Banerjee, Duflo und Kremer haben gezeigt, wie dieser Ansatz auch in der Entwicklungszusammenarbeit angewendet werden kann. Das „Medikament“ ist dann eine entwicklungspolitische Maßnahme, wie die Verteilung von kostenlosen Mahlzeiten in Schulen. In der realen Welt, also auch in der Entwicklungszusammenarbeit, sind diese Experimente aber nicht immer durchführbar, weil Maßnahmen meist nicht zufällig gewählten Gruppen zukommen können und Forscher*innen nicht im Vorfeld bestimmen können wer die Maßnahme erhält und wer nicht.

Die dieses Jahr von der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichneten natürlichen Experimente bieten einen Lösungsansatz für dieses Problem. Hierbei wird auf „natürliche“ Situationen zurückgegriffen bei denen eine zufällige oder nahezu zufällige Zuordnung ohne das Einwirken der Forscher*innen auftritt. Solch eine „natürliche“ Situation tritt beispielsweise auf, wenn ein unabhängiges Losverfahren entscheidet, welche Bürger*innen eine Maßnahme erhalten. Beispielsweise könnte eine private Krankenkasse zur Entlastung des staatlichen Systems, private Versicherungen verlosen. Ein weiteres Beispiel liegt vor, wenn die Durchführung einer Maßnahme (z.B. Baukindergeld) an einen Einkommens-Schwellenwert geknüpft ist. In Deutschland hat die Bundesregierung diesen auf 105.000€ bei Familien mit 2 Kindern festgelegt. Hier würden die Forscher*innen nun Familien knapp oberhalb (bspw. 105.001€-108.000€) und knapp unterhalb (bspw. 102.000€-104.999€) der Einkommensgrenze vergleichen.

Rigorose Wirkungsevaluierung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit

Sowohl Experimente, als auch natürliche Experimente und weitere quasi-experimentelle Ansätze, die versuchen über statistische Methoden möglichst gute Vergleichsgruppen zu konstruieren, wurden bisher innerhalb der deutschen Entwicklungszusammenarbeit nur vereinzelt und unsystematisch eingesetzt. Sie sind nicht bei jeder entwicklungspolitischen Maßnahme anwendbar und teilweise aufwendig durchzuführen. Dort wo sie möglich sind, ermöglichen sie aber wichtige Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen.

Das DEval hat quasi-experimentelle Methoden unter anderem in der Evaluierung des Freiwilligendienst „weltwärts“ genutzt, um zu untersuchen, wie sich die Teilnahme an weltwärts auf die Freiwilligen und ihr ehrenamtliches Engagement nach der Rückkehr auswirkt. In der DEval-Evaluierung der Beschäftigungsoffensive Nah-Ost wurden Geflüchteten und anderen vulnerablen Zielgruppen in Jordanien und der Türkei, die an einem cash-for- work Programm teilnahmen mit einer ähnlichen Gruppe verglichen, die an diesem Programm nicht teilnahmen. In einer Evaluierung auf den Philippinen wurde die Wirkungen eines umfassenden technischen Ansatzes zur Landnutzungsplanung untersucht. Dabei wurden Gemeinden mit und ohne Unterstützung bei der Umsetzung des Ansatzes verglichen. Mit einem vom BMZ finanzierten Forschungsprojekt zu Rigoroser Wirkungsevaluierung möchte das DEval die Nutzung dieser Ansätze in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit weiter fördern. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes werden Ende dieses Jahres vorliegen. Zukünftig soll die Durchführung rigoroser Wirkungsevaluierungen durch ein Förderprogramm des BMZ unterstützt werden.

Ihre Ansprechpartner

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Ehemals Senior-Evaluatorin - Teamleitung
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Dr. Martin Bruder

Abteilungsleiter: Zivilgesellschaft, Menschenrechte

Telefon: +49 (0)228 336907-970

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