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Die Informationsflut zu Covid-19: Auf der Suche nach Orientierung im Evidenz-Dschungel

Die gegenwärtige Krise gibt der evidenzbasierten politischen Entscheidungsfindung und der rigorosen Wirkungsevaluierung erheblichen Auftrieb, da die Mainstream-Medien mehr denn je auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen, um Unsicherheit und Desorientierung in der breiten Öffentlichkeit entgegenzuwirken.

© Travis Colbert, Unsplash

Eine ausgewählte Liste nützlicher Covid-19-Informationsquellen und Empfehlungen zur Schaffung ebensolcher Ressourcen

Evidenztyp: Meinungsbeitrag

Zielgruppe: Entscheidungsträger*innen in Entwicklungspolitik und –praxis, Wissenschaftler*innen und Evaluator*innen

 

Die gegenwärtige Krise gibt der evidenzbasierten politischen Entscheidungsfindung und der rigorosen Wirkungsevaluierung erheblichen Auftrieb, da die Mainstream-Medien mehr denn je auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen, um Unsicherheit und Desorientierung in der breiten Öffentlichkeit entgegenzuwirken.

Angesichts dieses Bedarfs nach empirischer Unterstützung sind in den letzten Monaten riesige Mengen an Covid-19-Ressourcen veröffentlicht oder initiiert worden - darunter Policy Briefs, Datensätze, Fact Sheets, Stellungnahmen, Evidence Hubs, Blog-Artikel, Newsletter, Webinare und neue Initiativen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Ein Machine-Learning-Algorithmus hat bis Juli 2020 mehr als 32.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen und Vor-Veröffentlichungen zum Thema Covid-19 identifiziert. Obwohl der Bereich der Medizin in der Literatur dominiert, beschäftigen sich auch immer mehr Quellen damit, welche sozioökonomischen Auswirkungen die Pandemie in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen hat und welche Minderungsmaßnahmen getroffen werden könnten.

Es gab schon immer eine Kluft zwischen dem, was in der Wissenschaft bekannt ist, und dem, was in der Entwicklungspraxis umgesetzt wird. Dafür gibt es verschiedene Gründe – insbesondere stellen die Suche nach Informationen und die Durchsicht des Materials bei einer Flut an Quellen ein großes Hindernis dar. Diese Probleme werden in der gegenwärtigen Krise durch die enorme Anzahl von Covid-19-Informationsquellen, die in sehr kurzer Zeit bereitgestellt wurden, noch verstärkt.

Wir haben versucht, uns einen Weg durch den Dschungel der Covid-19-Evidenz zu bahnen, indem wir die Covid-19-Ressourcen bekannter Organisationen aus dem Bereich Entwicklungszusammenarbeit und Evidenz gesichtet, geprüft, bewertet und strukturiert haben. Untersucht wurde Material von mehr als fünfzig verschiedenen Akteuren, wie Geber-Organisationen, Forschungseinrichtungen und multilateralen Entwicklungsorganisationen. Dabei stießen wir auf eine Reihe von Schwierigkeiten: Einerseits die schier endlose Zahl der Websites, die Informationen zu Covid-19 enthalten, und andererseits die Entscheidung, welche Websites konsultiert werden sollten und welche nicht. Es ist eine Herausforderung, den Inhalt und die Funktionsweise jeder einzelnen Informationsquelle zu verstehen. Ebenso sind die Evidenzbasis und die Qualität der einzelnen Quellen oft nicht einfach zu bewerten. Häufig ist das Zielpublikum (politische Entscheidungsträger*innen, Forscher*innen, Projekt-Durchführende) nicht näher spezifiziert. Es erscheint viel verlangt, von politischen Entscheidungsträgern und Projekt-Durchführenden zu erwarten, dass sie bei dieser chaotischen Informationssuche erfolgreich sind.

Um eine Orientierungshilfe zu geben, haben wir zwei Dinge ausgearbeitet:

Eine Liste von Ressourcen, die aus dem  Covid-19-Evidenz-Dschungel herausragen, da wir sie für die Entscheidungsfindung in Politik und Praxis sowie für Forscher*innen für besonders hilfreich halten.

Eine Liste mit Empfehlungen für Personen, die solche besonders hilfreichen Covid-19-Ressourcen schaffen möchten – Empfehlungen also, um den Dschungel besser zugänglich zu machen und die Effektivität zu erhöhen.

Beginnen wir damit, wie sich eine herausragende Ressource im Covid-19-Evidenz-Dschungel schaffen lässt.

1. Kennzeichnen Sie deutlich, auf welcher Art von Evidenz Ihr Covid-19-Material basiert. Es könnte z.B. auf einer persönlichen Meinung, rigorosen Wirkungsevaluierungen oder Systematic Reviews basieren – oder auf der Analyse makroökonomischer Daten.

2. Verlinken Sie die ursprünglichen Quellen, wenn Sie Sekundärquellen verwenden. Hier ein früherer Eintrag in dieser DEval-Blog-Serie als Beispiel, wie das aussehen könnte. Ein weiteres Positiv-Beispiel liefert die Campbell Collaboration.

3. Nennen Sie die Zielgruppe Ihres Beitrags. Wenn man weiß, für wen die Informationen relevant sind, kann dies die Informationssuche für alle Beteiligten beschleunigen.

4. Präsentieren Sie die Informationen in einer verständlichen, unkomplizierten und vielleicht auch innovativen Weise. Mit jedem weiteren Baum im Dschungel wird die Qualität dieses sogenannten knowledge brokering

5. Jede Informationsquelle im Covid-19-Dschungel wurde mit den besten Absichten eingerichtet. Die Mitglieder der Evidenz-Community sollten sich jedoch koordinieren um wichtige Ressourcen auf einer einzigen Plattform bereitzustellen und diese gemeinsam zu bewerben. Das würde sicherstellen, dass Synergien genutzt und Doppelungen vermieden werden. Einige Koordinierungsversuche wurden bereits unternommen, insbesondere die Kooperation der OECD Covid-19 Evaluation Coalition sowie eine Reihe weiterer, von denen einige im Folgenden vorgestellt werden. Dennoch sehen wir die Notwendigkeit eines noch entschlosseneren gemeinsamen Vorgehens im Hinblick auf eine zentrale Anlaufstelle für Covid-19-Ressourcen.

Wenden wir uns nun den bereits existierenden und besonders hilfreichen Ressourcen zu, die aus dem Covid-19-Evidenz-Dschungel herausragen. Diese Liste erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit – es gibt noch weitere nützliche Informationsquellen.

A. Covid-19-Informationsquellen, die hauptsächlich für Entscheidungsträger*innen in Politik und Praxis relevant sind

- Diese J-PAL Blog-Serie liefert hervorragende Beispiele für prägnante Blog-Artikel, die sich auf wissenschaftliche Evidenz stützen und all ihre Quellen verlinken. Die verschiedenen Blog-Posts fassen rigorose Evidenz zu verschiedenen sozioökonomischen Themen zusammen und setzen dabei derzeit einen Schwerpunkt auf Covid-19-relevante Evidenz. Dieser Blog-Artikel beispielsweise fasst vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse darüber zusammen, wie die Einhaltung von Covid-19-Richtlinien verbessert werden kann. Weitere Themen sind u.a. Cash Transfers, mobile Geldtransaktionen, geschlechterspezifische Gewalt und Schulbildung.

- Diese Blog-Serie von 3ie ist ein ähnlich gutes Beispiel, wie vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse auf leicht verständliche Weise präsentiert werden können. In der Blog-Serie finden sich Artikel zu einem breiten Spektrum von Themen im Zusammenhang mit Covid-19, wie Hygienemaßnahmen, Verbesserung von Mutter-Kind-Gesundheit, Impfungen sowie Herausforderungen und Chancen bei der Datenerhebung in Zeiten einer Pandemie. Beispielsweise lohnt ein Blick in diesen Blog-Beitrag, der Erkenntnisse zusammenfasst, wie soziale Medien während der Pandemie für die Gesundheitsförderung in der Gemeinde genutzt werden können.

- Diese Evidenz-Sammlung von evidenceaid enthält Covid-19-relevante Systematic Reviews zu Themen wie Übertragungs-Prävention, Behandlung von Infizierten und sozio-ökonomischen Folgen. Die Sammlung beinhaltet Zusammenfassungen in einfacher Sprache für alle enthaltenen Reviews.

- Der Africa UN Knowledge Hub für COVID-19 bietet eine Sammlung von Informationen und Quellen, darunter Länderdaten, Länderreaktionen und Erkenntnisse über die potenziellen Auswirkungen von Minderungsmaßnahmen, die für Afrika relevant sind.

- Das Netzwerk COVID-END widmet Entscheidungsträger*innen einen Teil seiner Plattform (der andere Teil richtet sich an Forscher*innen). Sie enthält eine Covid-19-Ressourcen-Sammlung und praktische Instrumente für diejenigen, die Entscheidungsträger*innen darin unterstützen, Evidenz zu nutzen. Außerdem bietet sie eine Systematik zur Entscheidungsfindung (Taxonomie), im Hinblick auf verschiedene Minderungsmaßnahmen, die aktuell ergriffen werden könnten.

B. Covid-19-Informationsquellen, die hauptsächlich für Wissenschaftler*innen und Evaluator*innen relevant sind

- Der IPA RECOVR Hub bündelt verschiedene forschungsrelevante Informationen, wie laufende Forschungsprojekte und aktuelle Finanzierungsmöglichkeiten. Er stellt auch eine der wenigen umfangreich koordinierten Ressourcen dar, da diverse Partner zu diesem Hub beitragen.

- Der Development Impact-Blog der Weltbank stellt einen zweiteiligen Beitrag über die Durchführung von Telefonumfragen in Zeiten von Covid-19 bereit (siehe Teil I und Teil II). Er spiegelt ein hohes Maß an Fachwissen wider und gibt eine detaillierte und sehr praxisorientierte Anleitung für den Einsatz von Telefonumfragen.

- Auch das ODI hat eine umfangreiche Liste von Informationen zu verschiedenen Herausforderungen und Best Practices für die Sammlung von Primärdaten in Covid-19-Zeiten

- Der Policy Tracker der Universität Oxford misst und bewertet die Wirksamkeit von staatlichen Reaktionen auf Covid-19 in 17 Dimensionen für mehr als 160 Länder. Dies könnte sich als nützliche Ressource erweisen, um zu messen, wie wirkungsvoll verschiedene Corona-Reaktionen sind.

- Das Netzwerk Global Partnership for Sustainable Development Data (das selbst ein positives Beispiel für eine konzertierte Aktion ist) hat eine Liste nützlicher Covid-19-Ressourcen erstellt, deren Schwerpunkt auf Datensätzen, Visualisierungen, Karten und nützlichen Tools liegt. Die jeweiligen Quellen werden kurz und prägnant beschrieben.

- Der C3.ai data lake hat zahlreiche Datensätze aus der ganzen Welt in ein einheitliches und häufig aktualisiertes Datenmodell integriert, was die Datenanalyse erheblich erleichtert.

Während der Inhalt der oben genannten Informationsquellen auf die Covid-19-Pandemie zugeschnitten ist, kann auch wissenschaftliche Evidenz, die vor der Pandemie gewonnen wurde, für Entscheidungen in der aktuellen Krise relevant sein. Die folgenden Quellen fassen Erkenntnisse aus einzelnen rigorosen Wirkungsevaluierungen sowie aus Systematic Reviews thematisch zusammen:

- Der 3ie evidence hub bietet 3.745 Wirkungsevaluierungen, 730 Systematic Reviews und 20 Evidence Gap Maps, die sich anhand einer Reihe von Filtern wie Sektor, Land oder Finanzierungsorganisation durchsuchen lassen.

- In ähnlicher Weise enthält das Repositorium der Campbell Collaboration Systematic Reviews und Evidence Gap Maps, die sich ebenfalls u.a. nach Sektoren und Ländern filtern lassen.

Wir hoffen, dass diese Liste Ihnen dabei hilft, sicher durch den Evidenz-Dschungel der Covid-19 Ressourcen zu navigieren!

Disclaimer

Die Blog-Artikel geben die Meinungen der Autor*innen wieder.

Es handelt sich bei den Beiträgen nicht um Ergebnisse mit Empfehlungen aus einzelnen Evaluierungen des DEval. Diese finden sich in unseren Evaluierungsberichten, Policy-Briefs und Pressemitteilungen. Die von den Autor*innen vertretenen Meinungen stellen nicht grundsätzlich die Meinungen des DEval dar.  

Autor*innen

Dr. Marion Krämer

Ehemals Senior-Evaluatorin - Teamleitung

Timo Kretschmer

Ehemals Evaluator

Elisabeth Schneider

Ehemals Evaluatorin DEval
Portrait Lea Jechel
© DEval

Lea Jechel

Evaluatorin

Telefon: +49 (0)228 336907-999

E-Mail: lea.jechel@DEval.org

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